Pferde streicheln?: Ein Artikel von Tanya Jaspers
Warum lassen sich Pferde nicht gerne streicheln?
Liebe Pferdehalterin, lieber Pferdehalter
Ich begrüsse dich ganz herzlich. Mein Name ist Tanya Jaspers, und ich bin spezialisiert dich und dein Pferd zu coachen, begleitet durch systemische Aufstellung. Heute möchte ich mit dir über das Thema Streicheln von Pferden und warum sie dies nicht unbedingt mögen, reden. Ich möchte dir Wege aufzeigen, wie du ein Stück näher zu einer harmonischen Beziehung zu deinem Pferd kommst.
A. Eine Erklärung aus der Sicht des Pferdes
Das Streicheln von Pferden, eine Geste der Zuneigung und des Vertrauens aus menschlicher Sicht, entspricht oft nicht der natürlichen Verhaltensweise dieser Tiere. Pferde sind komplexe Lebewesen mit eigenen Kommunikationsmethoden und sozialen Strukturen, die sich in ihrer natürlichen Umgebung entwickelt haben.
Es gibt mehrere Gründe, warum das Streicheln von Pferden nicht ihrer Natur entspricht.
Fluchtinstinkt und Überlebensstrategien
Pferde sind Fluchttiere, die in der freien Natur ständig auf der Hut vor Raubtieren sind. Ihre natürlichen Überlebensstrategien basieren auf schnellen Reaktionen auf potenzielle Bedrohungen.
Eine unerwartete Berührung, selbst wenn sie sanft ist, kann in den Instinkten eines Pferdes als potenziell gefährlich interpretiert werden. Diese Reaktion ist tief in ihrer Biologie verankert und kann nicht einfach durch Domestizierung oder Training vollständig abgestellt werden.
Natürliche Kommunikation und Pferde streicheln
In ihrer natürlichen Umgebung kommunizieren Pferde überwiegend durch Körpersprache und subtile Signale, die für Menschen oft schwer zu erkennen sind. Diese Kommunikation umfasst Ohrbewegungen, Körperhaltung, Schweif und gegenseitiges Beknabbern, das soziale Bindungen stärkt und Rangverhältnisse klärt.
Das Streicheln, wie Menschen es tun, ist kein Bestandteil dieser natürlichen Kommunikationsformen. Während gegenseitiges Grooming (Pflegen) in der Herde vorkommt, dient dies einem spezifischen sozialen Zweck und ist auf bestimmte Körperbereiche beschränkt.
Empfindliche Haut
Pferde haben eine sehr empfindliche Haut, die stark auf Berührungen reagiert. Diese Empfindlichkeit ist in der freien Natur von Vorteil, da sie das Pferd schnell vor Insekten oder anderen kleinen Bedrohungen warnt.
Eine menschliche Berührung, die als sanft und beruhigend gemeint ist, kann für ein Pferd unangenehm oder irritierend sein, besonders wenn sie auf empfindlichen Stellen wie dem Bauch oder den Flanken erfolgt.
Persönlicher Raum und Grenzen
Pferde haben ein ausgeprägtes Bewusstsein für persönlichen Raum und zeigen klare Grenzen, die sie nicht überschritten sehen wollen. In der Herde respektieren die Tiere gegenseitig diese Grenzen und interagieren nur dann körperlich, wenn es die Situation erfordert.
Menschen hingegen neigen dazu, diese Grenzen zu ignorieren oder nicht zu verstehen, was zu Stress und Unbehagen bei den Pferden führen kann.
Soziale Hierarchie
In der natürlichen sozialen Struktur einer Herde gibt es klare Hierarchien wobei neuere Forschungen und Beobachtungen legen nahe, dass Pferde in einer Herde nicht so sehr durch Dominanz, sondern durch soziale Bindungen und Kooperation interagieren.
Körperliche Berührungen, wie sie im menschlichen Streicheln vorkommen, können von Pferden als Dominanzgeste interpretiert werden. Dies kann besonders problematisch sein, wenn das Pferd den Menschen nicht als ranghöher ansieht oder wenn es bereits Unsicherheiten in der sozialen Rangordnung gibt.
Fehlende Gewöhnung und Vertrauen
Viele Pferde sind nicht von Natur aus an menschliche Berührungen gewöhnt und benötigen Zeit und Geduld, um Vertrauen zu entwickeln und ihre Angst vor Neuem zu überwinden: Ein Pferd, das noch nicht ausreichend an menschliche Interaktionen gewöhnt ist, kann Berührungen als bedrohlich empfinden.
Selbst gutmütige Pferde benötigen oft spezifische Trainingseinheiten, um Berührungen als positiv und angenehm zu erleben.
Fazit aus Sicht des Pferdes
Das Streicheln von Pferden entspricht nicht ihrer natürlichen Verhaltensweise und kann in vielen Fällen zu Missverständnissen und Stress führen. Pferde sind empfindsame und instinktgesteuerte Tiere, deren natürliche Kommunikationsmethoden und soziale Strukturen sich erheblich von denen der Menschen unterscheiden.
Um eine respektvolle und vertrauensvolle Beziehung zu Pferden aufzubauen, ist es wichtig, ihre Natur und ihre Bedürfnisse zu verstehen und zu respektieren. Indem Menschen lernen, die Körpersprache und die Grenzen der Pferde zu erkennen und ihm die erforderliche Achtsamkeit schenken, können sie eine tiefere und harmonischere Verbindung zu diesen faszinierenden Tieren herstellen.
B. Warum haben wir Menschen das Bedürfnis zum Tiere / Pferde streicheln?
Die Bedürftigkeit des Menschen, Pferde oder allgemein Tiere streicheln zu wollen, kann tief verwurzelte psychologische und emotionale Ursachen haben. Diese Bedürftigkeit kann durch systemische Aufstellungen (auch als Familienaufstellungen bekannt) untersucht und besser verstanden werden.
Gründe, warum Menschen Pferde streicheln wollen
- Emotionale Nähe und Trost: Streicheln von Tieren kann ein starkes Gefühl von Trost und emotionaler Nähe vermitteln. Viele Menschen finden in der Interaktion mit Tieren eine Quelle von bedingungsloser Akzeptanz und Liebe.
- Beruhigung und Stressabbau: Das Streicheln von Tieren, einschließlich Pferden, hat nachweislich beruhigende Effekte und kann Stress reduzieren. Der körperliche Kontakt und die rhythmische Bewegung können sowohl für den Menschen als auch für das Tier entspannend sein.
- Verbindung zur Natur: In unserer modernen, oft hektischen Welt sehnen sich viele Menschen nach einer Verbindung zur Natur. Der Kontakt zu Pferden bietet eine Möglichkeit, sich mit der natürlichen Welt zu verbinden und sich geerdet zu fühlen.
- Kindheitserinnerungen und Prägungen: Positive Kindheitserfahrungen mit Tieren oder Pferden können im Erwachsenenalter den Wunsch hervorrufen, diese Gefühle durch Streicheln wieder zu erleben.
- Physiologische Effekte: Körperlicher Kontakt kann die Ausschüttung von Oxytocin (dem „Kuschel- oder Bindungshormon“) fördern, was das Wohlbefinden und die Bindung stärkt.
Systemische Aufstellungen zur Erforschung der Bedürftigkeit
Systemische Aufstellungen bieten einen Weg, tiefere emotionale und familiäre Dynamiken zu erkunden, die hinter der Bedürftigkeit nach dem Streicheln von Pferden stehen könnten. Hier ist, wie dies funktioniert:
- Aufdecken familiärer Prägungen: Aufstellungen können helfen, familiäre Muster und Prägungen zu identifizieren, die das Bedürfnis nach Nähe und Trost durch Tiere beeinflussen. Zum Beispiel könnten ungelöste emotionale Bedürfnisse aus der Kindheit eine Rolle spielen.
- Erkennen und Lösen von Bindungsmustern: Oft spiegeln unsere Beziehungen zu Tieren unbewusste Bindungsmuster wider, die aus unserer frühen Kindheit oder unseren familiären Beziehungen stammen. Eine Aufstellung kann helfen, diese Muster zu erkennen und zu transformieren.
- Erforschung emotionaler Blockaden: Emotionale Blockaden oder unverarbeitete Traumata können ein starkes Bedürfnis nach Trost und Beruhigung durch Tiere hervorrufen. Aufstellungen können solche Blockaden sichtbar machen und Wege zur Heilung aufzeigen.
- Integration von Ressourcen: Durch das Bewusstmachen und die Integration positiver Ressourcen aus der eigenen Familiengeschichte oder dem persönlichen Leben kann das Bedürfnis nach äusserem Trost durch Tiere in eine gesündere, ausgeglichenere Form der emotionalen Selbstversorgung transformiert werden.
- Verstehen und Akzeptieren tieferer Bedürfnisse: Systemische Aufstellungen können helfen, ein tieferes Verständnis und eine Akzeptanz für die eigenen emotionalen Bedürfnisse zu entwickeln, was zu einer bewussteren und achtsameren Interaktion mit Pferden führen kann.
Pferde streicheln: Fazit aus Sicht des Menschen
Die Bedürftigkeit, Pferde oder andere Tiere streicheln zu wollen, hat tief verwurzelte emotionale und psychologische Ursachen, die durch systemische Aufstellungen erforscht und verstanden werden können.
Durch das Aufdecken und Verstehen familiärer Prägungen, emotionaler Blockaden und unbewusster Bindungsmuster können Menschen ein tieferes Verständnis für ihre eigenen Bedürfnisse entwickeln und diese auf gesündere und bewusstere Weise erfüllen.
Systemische Aufstellungen bieten einen kraftvollen Ansatz, um diese inneren Dynamiken zu klären und eine harmonischere Beziehung zu Pferden und zu sich selbst zu fördern.
Ich hoffe, dass ich dein Interesse am Aufbau einer harmonischen Pferdebeziehung geweckt habe. Als erfahrener Pferdecoach würde ich mich freuen, dich dabei unterstützen zu dürfen.
Mit den besten Wünschen für dich und dein Pferd!
deine Tanya Jaspers